Egal wie man das Wahlergebnis vom 15. Oktober in Österreich sonst interpretieren mag: Es war ein klarer Auftrag, die notwendigen Reformen endlich einmal anzugehen. So intensiv, wie von FPÖ und ÖVP, die jetzt Koalitionsverhandlungen führen, Reformen angekündigt worden sind, hätte man ja davon ausgehen können, dass die Arbeit gleich in der Woche nach der Wahl beginnt. Aber den Unterschied zwischen vor und nach der Wahl lernt man nach der Wahl sehr schnell, im Wahlkampf wird er dafür sehr gerne vergessen.
Einer der Punkte, die sowohl von Sebastian Kurz als auch Heinz Christian Strache immer wieder betont wurde, war eine Senkung der Abgabenquote unter 40 Prozent. Nach der Wahl redet man ohnehin nur mehr von einer Senkung in Richtung 40 Prozent. Sobald man das Thema irgendwo erwähnt, kommen natürlich sofort die Bedenkenträger, dass das doch gar nicht so einfach wäre. Ist es auch nicht, wenn man nicht will. Offenbar ist in den meisten Bereichen in Österreich, in denen Sachverständige nach Reformen rufen, der Leidensdruck noch nicht groß genug, um tatsächlich die richtigen Schritte zu setzen. Die jüngere Geschichte des Landes ist eine der gescheiterten Reformen.
Dabei könnte man bei den Reformen von einem Land lernen, das manche hierzulande noch immer als Teil Russlands sehen (wollen): der Ukraine. Da es immer einfacher ist in den Medien schlechte Nachrichten zu bringen – only bad news are good news –, kommt die Ukraine in den österreichischen Medien meist nur mit irgendwelchen Negativberichten, wie dem durch Russland begonnenen Krieg im Osten des Landes oder der immer noch vorhandenen Korruption, vor. Die massiven Reformschritte, die infolge der Revolution der Würde unternommen wurden, finden hingegen kaum Erwähnung. Nehmen wir nur einmal die Steuerpolitik. Die Steuerbelastung lag, so die Beraterin des Finanzministers Olena Makeieva, bei 51,9 Prozent. Heute liegt sie bei 37,8 Prozent. Der Durchschnitt in der EU liegt bei knapp über 40 Prozent, in Österreich ist die Belastung deutlich höher. Warum sollte in Österreich eine Reform unmöglich sein, die in der Ukraine funktioniert und dem Land nachweislich guttut? Je mehr den Menschen von ihrem selbst erwirtschafteten Einkommen bleibt, desto mehr können sie in die eigene Entwicklung investieren, desto weniger kann in den Mühlen der Bürokratie versickern.
Die Ukraine kann noch in einigen weiteren Bereichen als Beispiel dienen, wie man Reformen nicht auf die lange Bank schiebt, sondern umsetzt, auch wenn die Widerstände gegeben sind. Wie lange wird in Österreich schon über eine Pensionsreform geredet? Jeder weiß, so wie das System derzeit dasteht, ist es nicht enkelfit, ja nicht einmal kinderfit. In der Ukraine wurde eine Pensionsreform durchgeführt, sobald die alten Sowjetköpfe aus der Regierung abgewählt waren.
Ebenso hat man in dem Land in den vergangenen drei Jahren eine Justizreform durchgeführt, die das gesamte System umgekrempelt hat. Damit ist die Korruption natürlich nicht sofort beseitigt, aber der richtige Weg ist eingeschlagen. Seit Jahren werden in Österreich Schritte zu einer Staatsreform besprochen. In der Ukraine wird umgesetzt. Nach sowjetischem Vorbild war die Ukraine total zentralistisch organisiert. Seit der Revolution der Würde, wurden ganz konkrete Schritte der Dezentralisierung gesetzt.
Wenn man will, dann geht es. Man muss nur bereit sein, einmal über den Tellerrand hinauszusehen, und bereit sein zu lernen.
Der Artikel erscheint auch auf der Homepage der Paneuropa Bewegung Österreich.
Veröffentlicht am 24. November 2017.