Der jüngste Staat Europas

Vor zehn Jahren, am 17. Februar 2008, hat die Republik Kosovo ihre Unabhängigkeit erklärt.

Der jüngste Staat Europas Vor zehn Jahren, am 17. Februar 2008, hat die Republik Kosovo ihre Unabhängigkeit erklärt. Die Bezeichnung jüngster Staat Europas für die Republik Kosovo ist gleich doppelt richtig. Erstens, weil die Unabhängigkeitserklärung erst vor zehn Jahren erfolgte. Zwei Jahre davor, 2006, hatte sich Montenegro aus der staatlichen Verbindung mit Serbien gelöst und seine Unabhängigkeit erklärt. Zweitens, weil das Durchschnittsalter der Bevölkerung des Landes mit 28 Jahren deutlich unter dem Durchschnittsalter der anderen europäischen Länder liegt.

Der Unabhängigkeitserklärung voraus ging ein brutaler und blutiger Krieg, der 1991 in Slowenien, nach der Unabhängigkeitserklärung des Landes, seinen Anfang nahm. In Serbien regierte Slobodan Milosevic, ein alter Kommunist, der voll auf die nationalistische Karte setzte, und letztlich mit seinem Versuch, Jugoslawien unter serbischer Herrschaft zu halten, alles verlor. Der Kosovo war Anfang und Ende seines Größenwahns. Am 28. Juni 1989, zum 600. Jahrestag der Schlacht am Amselfeld, hielt Milosevic seine berühmte Rede am Kosovo Polje. Die Rede war die politische Vorbereitung der späteren Jugoslawien-Kriege, die oft als Bürgerkrieg missinterpretiert werden, aber in Wirklichkeit nichts anderes als ein nationalistischer Eroberungskrieg waren. Die Autonomie des Kosovo wurde durch die Regierung Milosevic aufgehoben. Sie hatte in Jugoslawien dem Kosovo die gleichen Rechte wie den Teilrepubliken zugesichert. Nach den Kriegen gegen Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina begann schließlich das Milosevic-Regime mit einer Vertreibung der albanischen Bevölkerung aus dem Kosovo. Erst das Einschreiten der internationalen Staatengemeinschaft unter militärischer Führung der USA stoppte den versuchten Völkermord. 1999 endete der Kosovo-Krieg. Vorerst wurde eine UNO-Verwaltung für das Land eingerichtet, erst 2008 erfolgte die logische Konsequenz aus diesem Krieg, die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.

Sowohl die Paneuropa-Union unter der Leitung meines Vaters Dr. Otto von Habsburg als auch Österreich unter Außenminister Dr. Alois Mock hatten von Anfang an eine klare Linie für das Selbstbestimmungsrecht der Völker des Balkan bezogen. Mit dem Gründungspräsidenten des Kosovo Ibrahim Rugova verband meinen Vater und Alois Mock eine enge politische und freundschaftliche Verbindung. 2004 wurde Präsident Rugova mit dem Europapreis Coudenhove-Kalergi ausgezeichnet. Alois Mock war damals Präsident der Europagesellschaft Coudenhove-Kalergi, mein Vater Otto von Habsburg überreichte den Preis in Prishtina.

In der sogenannten „Westbalkan-Strategie“ (Westbalkan bezeichnet im EU-Jargon die sechs Länder Südosteuropas Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Makedonien, Montenegro und Serbien), die vor etwas mehr als einer Woche vorgestellt wurde, öffnet die Europäische Union diesen Ländern neuerlich die schon 2003 versprochene Perspektive auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union.

Zwei Fakten unterscheiden die Republik Kosovo von den anderen Ländern der Region. Für die Einreise in die EU brauchen die Bürger des Kosovo nach wie vor ein Visum. Man hatte dem jüngsten Staat Europas wesentlich mehr Kriterien zur Erfüllung auferlegt, als den anderen Ländern. Letztes Kriterium ist nun die Ratifizierung des Grenzabkommens mit Montenegro. Die Beziehungen der beiden Länder untereinander sind sehr gut. Gescheitert ist die Unterzeichnung bisher an parteipolitischen Auseinandersetzungen im Kosovo selbst.

Das zweite Unterscheidungskriterium ist die Tatsache, dass der Kosovo nach wie vor nicht Mitglied der UNO ist (Russland hat bisher immer gedroht, ein Veto bei der Prüfung durch den Sicherheitsrat einzulegen), und auch fünf Staaten der EU (Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern) die Unabhängigkeit des Landes noch nicht anerkannt haben. Häufigstes Argument für diese Nichtanerkennung ist die Angst vor Sezessionsbestrebungen von Volksgruppen in diesen Ländern. Der Fall Spanien und Katalonien zeigt klar, dass mit einer derartigen Politik gegenüber der Republik Kosovo die Probleme im eigenen Land nicht gelöst werden können. Vergleichbar sind die Situationen der Minderheiten auch nicht. Keines der genannten EU-Länder führt einen Vernichtungsfeldzug gegen eine seiner Volksgruppen. Zweifelsohne ist die Beitrittsperspektive der Länder Südosteuropas eine strategisch wichtige Option für Gesamteuropa. Immer wieder in der Geschichte, und auch in der jüngeren Geschichte, haben außereuropäische Mächte versucht, auf dem Balkan Einfluss zu gewinnen. Alle diese Einflüsse gingen zu Lasten der Stabilität der Region und Gesamteuropas. Der Kosovo ist hier ganz besonders sensibel, weil die serbische Verfassung das Land nach wie vor als Teil Serbiens definiert. Auch in Belgrad wird man die Realitäten zur Kenntnis nehmen müssen. Die Westbalkan-Strategie der EU sagt auch klar, dass keines der Länder der Region, wenn es in die EU aufgenommen wird, den Beitritt eines anderen Landes blockieren darf.

Aus österreichischer Sicht ist die Verbindung mit der Region nicht nur aufgrund der Geschichte bedeutend. Aus all den Ländern Südosteuropas sind viele Menschen in das heutige Österreich zugewandert. Die wirtschaftlichen Verbindungen sind stark ausgebaut. Der Beitritt dieser Länder in die EU, und damit ein weiterer Schritt zur Stabilisierung der Region, sind deshalb ganz klar im Interesse Österreichs. Die aktuelle Regierung wird auch daran gemessen werden, wie sehr es ihr gelingt, durch eine strategisch ausgerichtete Politik den Beitritt der Länder Südosteuropas in die EU voranzutreiben.

 

Der Beitrag erscheint auch auf der Seite der Paneuropabewegung Österreich.

 

Veröffentlicht am 16. Februar 2018.

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