Der Europapolitiker Karl von Habsburg

Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union gehörte Karl von Habsburg von 1996 bis 1999 dem Europäischen Parlament an.  

Über Jahrhunderte waren Vertreter seiner Familie in führenden politischen Positionen in Europa (kurzfristig auch in Lateinamerika) tätig. Über 800 Jahre lenkten sie die Geschicke Österreichs, und schufen damit ein Reich, das nicht auf der Idee der Nation beruhte, sondern auf der übernationalen Idee der Kultur Mitteleuropas. Die Reichsidee war der Gegenpol zum immer stärker werdenden Nationalismus. Sein Vater Otto von Habsburg wurde 1979 – bei der ersten Direktwahl – auf der Liste der bayerischen CSU – zum ersten Österreicher im Europäischen Parlament gewählt.

Sowohl die Reichsidee als auch die Idee der europäischen Einigung gehören zu den politisch prägenden Inhalten für das Politik-Verständnis von Karl von Habsburg. 1980 gründete er innerhalb der Paneuropa-Union den „Paneuropakreis Alpen-Adria“, 1986 übernahm er die Leitung der Paneuropabewegung Österreich. Im Europäischen Parlament arbeitete er als Assistent für den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel, in Österreich wurde er als politischer Berater des Salzburger Landeshauptmannes Wilfried Haslauer (sen.) tätig.

1994 kandidierte er erstmals auf der Landesliste Salzburg für den Österreichischen Nationalrat. Diese Kandidatur wiederholte sich bei der Wahl im darauffolgenden Jahr 1995. Bei beiden Kandidaturen – jeweils auf der Liste der ÖVP – führte Karl von Habsburg erfolgreiche Vorzugsstimmenwahlkämpfe. Die Salzburger Volkspartei nominierte ihn schließlich als ihren Kandidaten für die erste Europawahl im Jahr 1996.

Ebenfalls 1994 fand in Österreich das Referendum für die Mitgliedschaft in der Europäischen Union statt. Mit einer Zweidrittel-Mehrheit entschieden sich die Österreicher für diesen europäischen Weg. Karl von Habsburg hat sich in dieser Zeit mit der Paneuropabewegung massiv für den Beitritt engagiert. Am 1. Jänner 1995 trat Österreich der EU bei. Die ersten Vertreter im Europäischen Parlament wurden von den Parteien noch delegiert. Am 13. Oktober 1996 konnten die Österreicher ihre Mitglieder des Europäischen Parlamentes erstmals wählen.

ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel hatte sich von seiner Partei die Vollmacht geben lassen, die ersten beiden Plätze für diese Europawahl alleine bestimmen zu können. Mit Ursula Stenzel holte er eine bekannte Nachrichtenmoderatorin aus dem Fernsehen als Nummer 1 auf die Liste. Auf Platz 2 setzte er Karl von Habsburg. Erstmals seit 1966 gelang es der ÖVP wieder, bei einer bundesweiten Wahl den ersten Platz zu erreichen. Im November 1996 zogen die Vertreter Österreichs in das Europäische Parlament ein.

Karl von Habsburg legte einen seiner Arbeitsschwerpunkte klarerweise auf die Außen- bzw. Erweiterungspolitik, sowie auf einige grundsatzpolitische Fragen. Er wurde Mitglied in der Delegation für die Beziehungen zu Südosteuropa und der Bulgarien-Delegation. Schon zu Beginn der von Slobodan Milosevic losgetretenen Kriege im ehemaligen Jugoslawien hatte er sich in der und für die Region engagiert. Regelmäßig war er – auch in der heißen Phase des Krieges – in der Region unterwegs. Sein Bestreben galt der Unabhängigkeit dieser Länder, sowie einer Perspektive für eine spätere Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Als einer der ersten Europapolitiker erhob er die Forderung nach einer Anklage gegen Slobodan Milosevic durch das Kriegsverbrechertribunal, warnte er vor einem drohenden Genozid im Kosovo, und verlangte er eine Intervention Europas zum Schutz der Völker Südosteuropas vor der nationalistisch-terroristischen Aggression der serbischen Führung.

Im Ausschuss für Recht und Bürgerrechte des Europäischen Parlamentes, dem Karl von Habsburg als stellvertretendes Mitglied angehörte, begannen damals die Verhandlungen über die gesamte Frage der Patentierung im Bereich der Biotechnologie. Hier setzte er sich ganz klar gegen alle Bestrebungen von Patenten auf Leben ein, wobei aber der Schutz des geistigen Eigentums gewährleistet sein sollte.

Ein Spezialgebiet von Karl von Habsburg im Europäischen Parlament war der Bereich der Menschenrechte, der Volksgruppenrechte, und damit der Schutz der Rechte von Minderheiten. In zahlreichen Dringlichkeitsanträgen konnte er – zurückgreifend auf ein internationales Netzwerk von Experten – die Anliegen der bedrohten Völker und Volksgruppen – von den Batwas in Afrika bis zu den Nagas und Uiguren in Asien – in die europäische Debatte einbringen. Der Schwerpunkt lag dabei unter anderem in der Schaffung eines Europäischen Volksgruppenrechtes, das innerhalb der Europäischen Union für die Völker und Volksgruppen gelten sollte, damit aber eine rechtliche Beispielwirkung für den Rest der Welt entfalten hätte können.

Dieser weltweite Einsatz für Menschenrechte schlug sich unter anderem in der Errichtung eines Lehrstuhls für Menschenrechte „Karl von Habsburg“ an der „Universidad Internacional de las Americas“ in Costa Rica nieder. Weiters gehörte Karl von Habsburg dem Ausschuss für Außenwirtschaftsbeziehungen des Europäischen Parlamentes an. Zu den damaligen Bestrebungen gehörte es, einen möglichst freien Handel mit allen Wirtschaftsregionen der Welt zu ermöglichen. In wirtschaftspolitischer Hinsicht setzte sich Karl von Habsburg für ein Zurückdrängen der Bürokratie und der Steuerlast ein. Dies zeigte sich beispielsweise in einer klaren Stellungnahme zum sogenannten Secchi-Bericht („Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs in der Europäischen Union“). Der Bericht forderte gemeinsame Grundsätze der Besteuerung im Binnenmarkt. Bereits damals warnte Karl von Habsburg vor Abgabenbelastungen, die sich der 50 Prozent Marke annähern. „Verzerrend auf den Binnenmarkt wirken sich nicht die sogenannten Steueroasen, sondern vielmehr die zu hohen Unternehmens- und Verbrauchssteuern aus“, formulierte er in einer Stellungnahme. Und er bezog sich auf das Subsidiaritätsprinzip: „Im Sinne der Subsidiarität hat der Staat nicht das Recht, erst die Belastung hochzuschrauben, um dann über den Umweg einer teuren Bürokratie wieder Geschenke an seine Bürger zu verteilen.“ Es ging schon damals um den Gegensatz zwischen persönlicher Freiheit und Eigenverantwortung, Rechtsstaatlichkeit, freier Wirtschaft, Eigeninitiative und persönlicher Haftung, Autonomie der Familie, Subsidiarität, Religionsfreiheit, also den eigentlichen europäischen Werten auf der einen Seite, und Paternalismus, Etatismus und Planwirtschaft auf der anderen Seite.

Die Subsidiarität war auch Thema eines Buches, das Karl von Habsburg damals herausbrachte. Im Herbst 1998 erschien „Europa Bürger Nah“ mit insgesamt 23 Beiträgen namhafter Autoren aus Politik, Kirche, Wirtschaft, Journalismus und Wissenschaft, in denen die verschiedenen Aspekte der Subsidiarität beleuchtet wurden. Ende des Jahres publizierte Karl von Habsburg das „Europa Service-Buch“, einen Leitfaden durch die verschiedenen europäischen Institutionen.

Eine Wiederwahl für eine weitere Periode im Europäischen Parlament scheiterte. Im November 1998, ein halbes Jahr vor der Europawahl 1999, wurde Karl von Habsburg mit einem Skandal bei der Spenden-Organisation World Vision in Verbindung gebracht. Die mit dem damaligen Generalsekretär der Paneuropabewegung Österreich verheiratete Geschäftsführerin von World Vision und ihr Ehemann wurden in Untersuchungshaft genommen, erst Jahre später kam es zu einem Prozess. Karl von Habsburg hatte tatsächlich für einige Monate als nicht operatives Mitglied dem Vereinsvorstand von World Vision angehört. Ausschlaggebend dafür waren einzig und allein caritative Hintergründe. Lange bevor im Spätsommer bzw. Herbst 1998 Vorwürfe über finanzielle Unregelmäßigkeiten bekannt wurden, hatte er sich Ende März/Anfang April 1998 akzeptierterweise mündlich, am 18. Mai 1998 auch schriftlich aus Mangel an Zeit aus dem Vereinsvorstand zurückgezogen. Sämtliche parlamentarische Anfragen in der Causa ergaben das klare Bild, dass gegen Karl von Habsburg nie ein Verdacht bestand, er immer nur als Zeuge zu Gesprächen gebeten wurde. Die ÖVP nahm von einer neuerlichen Nominierung für die Europawahl Abstand. Der Kandidatur mit einer eigenen Liste – der Christlich-Sozialen Allianz CSA – war kein Erfolg beschieden.

Spekulationen über Versuche einer neuerlichen Kandidatur wies Karl von Habsburg stets zurück. Sein europapolitisches Engagement betreibt er hauptsächlich über die Paneuropa-Union. Durch seine Präsidentschaft in der BlueShield Organisation liegt heute ein Schwerpunkt seiner Arbeit im Kulturgüterschutz und im humanitären Völkerrecht.

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